Ein Rüssel aus dem Rüsselheim
Nachgefragt Ansichtssache

Nachgefragt bei Doris vom Rüsselheim e.V.

Diese Woche lassen wir Personen zu Wort kommen, die einen anderen Zugang zu den Themen Veganismus und/oder Nachhaltigkeit haben als “nur” das Essen. Sie haben tolle Projekte, Vereine oder Unternehmen ins Leben gerufen, um unsere Welt ein kleines bisschen besser zu machen.

Wir hatten Karo vom Veganverlag und Tina, die den veganen Mitbringbrunch in Hamm gegründet hat.

Viele von uns haben sich aus einem ganz einfachen Grund für ein veganes Leben entschieden: Wegen der Tiere! Doch was passiert mit den Tieren, die aus der „Fleischproduktion“ gerettet werden? Einige landen auf jeden Fall bei Doris vom Rüsselheim e.V.. Wir haben bei der ersten Vorsitzenden nachgefragt.

Toastenstein: Hallo Doris! Stell Dich doch bitte einmal kurz vor. Wo kommst Du her, was machst Du beruflich und was in Deiner Freizeit?

Ich arbeite im Vertrieb und Marketing. Mein ganzes Leben ist von Rüsselheim e.V. dominiert. Freizeit ist mir seit mehr als 10 Jahren fremd.

Erkläre uns doch bitte einmal, was der Rüsselheim e.V. ist.

Rüsselheim e.V. ist ein gemeinnütziger Verein, der sich seit der Gründung im Jahre 2009 auf die Rettung von sogenannten „Nutz“tieren spezialisiert hat.

„Der Vereinsname gründet sich in der ersten großen Rettung von 160 Schweinen“

Trotz des Namens vermuten wir nicht unbedingt Elefanten bei Euch. Was für Tiere beherbergt Ihr?

Der Vereinsname gründet sich in der ersten großen Rettung von 160 Schweinen aus einer Schweine“produktions“- und mastanlage. Ihr seht, nicht nur Elefanten haben Rüssel 🙂 Mittlerweile befinden sich gut 650 Rinder, rund 400 Schafe, etwa 450 Schweine, 50 Riesenkaninchen, Gänse, Hühner und Hähne, Enten und diverse Tiere, die oft auf Bauernhöfen leiden (Katzen, Hunde), in unserem Bestand.

Wie kommt der Kontakt zustande? Auf welche Art und Weise findet Ihr die Tiere?

Am Land ist man automatisch mit Tierleid konfrontiert, inzwischen werden uns Tiere aber auch von Landwirten, Viehhändlern und Schlachtern angeboten. Auf etliche Fluchttiere in Not wurden wir über die Medien aufmerksam.

Und wie sind dann der Transport und die weitere Beherbergung organisiert?

Wir arbeiten mit diversen Pflegeplätzen deutschlandweit zusammen, die von qualifizierten Landwirten geführt werden. Dies ist eine Win-Win-Situation für den Landwirt und für die Tiere. Der Landwirt, der aus dem Schlachtsystem aussteigen kann, und für die Tiere ausgebildetes und erfahrenes Personal. Transporte werden im kleinen Bereich von Vereinsmitgliedern vorgenommen, größere Transporte übernehmen gewerbliche Transporteure.

„Für jede Patenschaft ab 5,00 € monatlich oder Einzelspende sind wir mit den Tieren sehr dankbar.“

Die ganzen Höfe und die ganzen Tiere ziehen finanziell einen riesigen Rattenschwanz nach sich. Tierarztkosten, Unterbringung und Futter sind nur ein Teil davon. Wie finanziert Ihr Euch? Wie kann man Euch und Eure Arbeit unterstützen?

Unsere Tiere leben ausschließlich von Spendern und Paten. Für jede Patenschaft ab 5,00 € monatlich oder Einzelspende sind wir mit den Tieren sehr dankbar.

Wahrscheinlich besteht auch die Möglichkeit, „sein“ Tier zu sehen und zu besuchen, wenn man eine Patenschaft übernimmt, oder? Wir haben letztens von einem Gnadenhof gehört, bei dem es Patentreffen gibt, zu denen Bratwürste und Nackensteaks gereicht werden. Und wir waren eher schockiert und fassungslos, aber nicht wirklich überrascht. Für uns als Veganer ist das aber trotzdem völlig unverständlich, wie man sich quasi über ein gerettetes Leben freuen kann und sich gleichzeitig das potentielle Geschwisterlein eines Schweins oder Rinds in den Mund schaufelt. Wie handhabt Ihr das?

Auch wir haben keine schizophrene Veranlagung, der harte Kern des Vereins isst und lebt vegan, so werden an unseren Patentreffen ausschließlich vegane Produkte gereicht. Beim gemeinsamen Abendessen mit Paten kocht das Restaurant für uns ebenso vegan.

„Bei Rettungen versuchen wir generell kein Tier zurückzulassen“

Wir können uns vorstellen, dass Ihr so einige grauenhafte Geschichten zu erzählen habt und dass man dafür ein wirklich dickes Fell braucht. Wie kommt man mit den Bildern zurecht?

Ich persönlich meide Situationen, bei denen ich nicht mehr helfend eingreifen kann, wie zum Beispiel Schlachthof-Mahnwachen. Bei Rettungen versuchen wir generell kein Tier zurückzulassen.

Wir wissen alle, dass man leider nicht die ganze Welt retten kann. Aber alleine schon für ein Tier kann man die Welt retten. Hast Du ein Lieblingstier oder eine für Dich besonders wichtige Geschichte, an die Du Dich gerne zurück erinnerst?

An manchen besonders bedürftigen Tieren hängt man sicher mehr, aber prinzipiell habe ich 1.500 Gesichter und Geschichten, an die ich mich gerne erinnere.

„Ich bin mir sehr sicher, dass wir in ca. 30 Jahren keine Tiere mehr essen werden“

Zuletzt gab es den Tönnies-Corona-Skandal. Fast 2.000 Mitarbeiter sind bei uns im Nachbarkreis Gütersloh an Covid19 erkrankt. Dort werden alleine jeden Tag bis zu 30.000 Schweine geschlachtet. Der Aufschrei ist groß, nicht zuletzt wegen der unmenschlichen Arbeitsbedingungen. Aber wir haben auch den Eindruck, dass die Massentierhaltung allgemein so langsam mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rückt. Man vernimmt dieser Tage relativ viele öffentliche Stimmen, die dazu aufrufen, wenig bis gar kein Fleisch mehr zu essen. Hast Du Hoffnung, dass sich in dem Zuge nachhaltig etwas ändern könnte?

Nicht durch Corona allein, aber ich bin mir sehr sicher, dass wir in ca. 30 Jahren keine Tiere mehr essen werden. Vermutlich leider nicht aus Respekt vor unseren Mitgeschöpfen, sondern weil die damit verbundenen Probleme für unseren kleinen Erdballen nicht mehr händelbar sind.

Eine Kuh aus dem Rüsselheim
© Rüsselheim e.V.

Zum Abschluss noch ein paar schnelle Fragen für echte Foodies!

Wenn das Leben Dir Zitronen gibt, machst Du was daraus?
Veganen Zitronenkuchen

Dein Soundtrack für eine Kochorgie?
Heaven and Hell von Black Sabbath

Dein persönliches Dinner-For-One sieht wie aus?
Spaghetti Arrabiata

Was ist Dein kulinarischer Albtraum?
Verbranntes Essen

Frankenfoods – Was ist Deine merkwürdigste Lebensmittelkombination?
Toast mit veganem Frischkäse, Erdbeermarmelade und Bananenscheiben oben drauf 🙂

Herzlichen Dank! Und danke für Euren Einsatz!

  • So erreicht Ihr den Rüsselheim e.V.:
  • Adresse:
    Rüsselheim e.V.
    Hauptstraße 22
    86695 Allmannshofen
  • Telefonnummer: 08274 – 997221
  • Bürozeiten: Mo – Do von 09:00 Uhr bis 12:00 Uhr
  • Website: www.ruesselheim.com
Ein Schaf aus dem Rüsselheim
© Rüsselheim e.V.

VonMaddin

Zuständig für die Technik hier, um verkopfte Beiträge zu schreiben, neue vegane Produkte zu testen. Und vor allem auch, um viel zu essen. Die leckeren Rezepte müssen ja alle probe gegessen werden... :-)

Du willst Maddin eine Mail schreiben? Hier ist die Adresse: maddin@toastenstein.com

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